Die Geschichte beginnt im Jahr 1851, als der Schoner America mit einer ambitionierten Crew von New York nach Cowes segelte, um dort am One Hunderd Sovereigns Cup teilzunehmen. Dank des überragenden Siegs der America wanderte die Bodenlose Kanne, wie der Pokal auch süffisant genannt wurde, in eine Vitrine des New York Yacht Club. Jedoch sollte der Pokal nicht nur an vergangene Heldentaten erinnern, sondern auch in Zukunft Ansporn für Bestleistungen im Segelsport sein. Somit wurde der One Hunderd Sovereigns Cup als Wanderpokal gestiftet und zur Erinnerung an den Sieg der America in America's Cup umbenannt. Allerdings gelang es erst dem 25. Herausforderer im Jahr 1983, den New Yorkern diese älteste noch umkämpfte Sporttrophäe zu entreißen.
Im Jahr 1934 versuchte der englische Flugzeugbauunternehmer Sir Thomas Sopwith, als 15. Herausforderer die prestigeträchtige Kanne zurück nach England zu holen. Wer damals technikverliebt und reich war, entschied sich beim Bootstyp für eine J-Class-Yacht. Diese Bootsklasse ergab Superyachten mit einer Länge von ca. 40 Metern und etwa 140 Tonnen Verdrängung. Sopwith ließ sich seine "J" vom angesagtesten englischen Yachtbauer Charles E. Nicholson zeichnen und anfertigen. Der Name der eleganten Yacht: Endeavour!
Beim America's Cup 1934 unterlag Sopwith mit seiner Endeavour ganz knapp der amerikanischen Rainbow. Bis 1983 kam kein anderer Herausforderer dem Pokal so nahe wie Sir Thomas Sopwith. Die Endeavour galt sogar als das bessere Boot. Gründe für die knappe Niederlage sind wohl bei der wenig regattaerfahrenen Crew und bei der amerikanischen Deutungshoheit über die Wettfahrtregeln zu suchen.
Mit dem Zweiten Weltkrieg verlor die J-Class ihre Bedeutung. Kriegsereignisse standen großen Segelsportereignissen entgegen. Viele J-Class-Yachten wurden während des Kriegs abgewrackt, da die großen Mengen an Ballastblei für die Herstellung von Munition gebraucht wurden. Die Endeavour ging im und nach dem Krieg durch einige Hände und entkam mehrfach nur knapp der Verschrottung. 1984 wurde das Schiff in erbärmlichem Zustand von der US-Amerikanerin Elisabeth Meyer am Ufer des Solent in Südengland wiederentdeckt. Vier Jahre und 10 Mio. Dollar später glänzte Endeavour wieder wie neu. Damit war nicht nur diese besondere Yacht sondern auch die Bootsklasse wiedergeboren. Endeavour beeindruckte die Seglerwelt derart, dass seither sechs weitere J-Class-Yachten nach alten Plänen rekonstruiert wurden. Die neu gegründete J Class Association waltet über Bauvorschriften und Vermessungsregeln. J-Class-Regatten werden nun an vornehmen Orten wie z. B. Palma, Porto Cervo, St. Tropez oder St. Barth ausgetragen.
Original 1934
Länge: 39,56 m
Breite: 6,78 m
Tiefgang: 4,50 m
Masthöhe: 46,47 m
Verdrängung: 143 t
Ballastanteil: 56%
Original 2012
Länge: 39,56 m
Breite: 6,78 m
Tiefgang: 4,76 m
Masthöhe: 46,47 m
Verdrängung: 178 t
Ballastanteil: 46%
Modell
Länge: 2.000 mm
Breite: 340 mm
Tiefgang: 235 mm * / 606 mm **
Masthöhe: 2.300 mm
Verdrängung: 17 kg
Ballastanteil: 64%
* Langkielattrappe
** Flossenkiel für Segelbetrieb
Das Ziel besteht nun darin, den Zauber der J-Class in einen handhabbaren Modellmaßstab zu übertragen und zugleich ein großartiges Modellsegelerlebnis zu ermöglichen. Diesem Ziel folgend habe ich den Maßstab 1:20 gewählt. Somit ergeben sich etwa 2 m lange Boote mit ca. 17 kg Verdrängung und 2,3 bis 2,5 m Masthöhe über Deck. Der Transport ist damit aufwendig genug, aber noch mit PKW und zur Not mit Dachgepäckträger machbar. Trotz der Modellgröße führt die maßstäbliche Verkleinerung zu einem sogenannten Ähnlichkeitsproblem: Längen schrumpfen linear mit dem Maßstab. Flächeninhalte schrumpfen jedoch quadratisch; Massen und Volumen sogar in der dritten Potenz. Bei Maßstab 1:20 schrumpft die Segelfläche folglich auf 1:400, während sich der Ballast auf 1:8.000 verkleinert. Somit fällt das aufrichtende Moment im Grunde um Faktor 20 zu klein aus. Immerhin segeln Modellyachten zumeist in Revieren mit schwächeren Winden. Während eine Original-J-Class-Yacht in der Karibik bei 25 kn Wind noch das ungereffte Großsegel sowie Kutterfock und Klüver trägt, soll die Modell-J auf einem Binnensee bei 7-8 kn Wind schon volle Leistung zeigen. Die Windgeschwindigkeit geht quadratisch in die Windkraft ein. Das heißt, im Modellsegel-Revier entsteht ungefähr ein Zehntel der Windkraft im Vergleich zum Revier der Original-Yachten. Also fehlt bei maßstäblicher Verkleinerung noch die Hälfte des benötigten aufrichtenden Moments.
Für den Segelbetrieb wird also ein tieferer Kiel benötigt, der den Abstand von der Drehachse zum Schwerpunkt des Schiffes um Faktor zwei vergrößert. Somit ist ein Umbau des
Unterwasserschiffs für gute Segeleigenschaften unumgänglich. Konsequenterweise habe ich mich entschieden, den Langkiel zu entfernen und durch einen modernen Flossenkiel zu
ersetzen. Diesen Ansatz verfolgen Yachtkonstrukteure auch bei Retro-Klassikern wie z. B. Firefly von Hoek-Design und Heaven-Can-Wait
von Georg Nissen . Im Segelbetrieb ist davon sowieso nichts zu sehen. Für Schauzwecke etwa im Wohnzimmer muss der Flossenkiel natürlich gegen eine vorbildgetreue Langkiel-Attrappe
getauscht werden.
Um die Auswirkungen des Ähnlichkeitsproblems möglichst gering zu halten, wählen manche Modellbauer in den USA den größeren Maßstab 1:16, der etwa 2,5 m lange Modelle ergibt. Bei diesen Modellen
wird der Langkiel auch für den Segelbetrieb beibehalten. Jedoch wird auch hier die Maßstäblichkeit verlassen und der Tiefgang um 2 Zoll (50,8 mm) vergrößert. In YouTube-Videos ist gut zu
erkennen, dass diese Maßnahme eigentlich nicht ausreicht. Einfallende Böen führen immer wieder dazu, dass die Riggs dieser Boote fast flach auf dem Wasser liegen.
Modellyachten dieser Größe sind zumeist Einzelbauten und entstehen im Verborgenen durch erfahrene Liebhaberhände . Solche Einzelstücke genießen zwar den Wert des Unikalen, haben jedoch oft den Nachteil, dass sich dazu kein passendes Regattafeld findet. Ich zähle mich längst nicht zu den eingefleischten Regattaseglern, jedoch gefällt mir der Anblick mehrerer J-Class-Yachten auf der Regattabahn. Zudem hatte ich mir einen Qualitätsmaßstab gesetzt, der einen relativ aufwendigen Formenbau erforderlich macht. Damit sich der Aufwand für den Formenbau lohnt, müssen schon einige Teile gefertigt werden. Somit war klar, dass die J-Class-Modellyacht von vornherein als hochwertiges Baukastenboot konzipiert wird.
Der Qualitätsanspruch spiegelt sich in präzise passenden Bauteilen und in einem hohen Leichtbaugrad wider. Realisiert wird beides durch Faserverbundtechnologie auf Luftfahrtniveau. Rumpf, Kielflosse und Ruderblatt entstehen via Prepreg-Autoklav-Verfahren aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK).